30.03.2020 | Verfasst von Felix Röscheisen
Die Finanzindustrie setzt traditionell auf eine starke Unternehmensmarke. Unterschiedliche Zielgruppen, von der Privatperson bis zum Grosskonzern, werden so von derselben Marke bedient.
Ob diese traditionelle Strategie so zukunftsfähig ist, fängt man spätestens dann an zu bezweifeln, wenn man sich ansieht, was sich hinter dem Login-Button auf den Webseiten grosser Universalbanken verbirgt: manchmal muss der Kunde sich hier für einen von nicht weniger als einem Dutzend Login-Möglichkeiten entscheiden – und nur in eines dieser Dutzend Schlösser passt sein Schlüssel. Herzlich willkommen!
Bei der Präsentation von Produkten und Inhalten auf den öffentlichen Webseiten dasselbe Spiel: in umfangreichen Menüs wird der gesamte Bauchladen präsentiert.
Die Challenger Banken haben es da einfacher, schliesslich haben sie in der Regel auch nur genau ein Produkt. In der Kundengewinnung ist das tatsächlich sogar ein Vorteil, gegen den die Incumbents erwartungsgemäss die Stärke ihrer Unternehmensmarke ins Feld führen.
Dass man es auch anders machen kann, zeigen die folgenden beiden Beispiele:
Goldman Sachs lanciert seinen lange unvorstellbaren Eintritt in das Privatkundengeschäft unter eigener Marke – mit sorgfältigem Co-Branding, das einerseits die Stärke der ikonischen Investmentbank transportiert und die Stabilität vermittelt, die Kunden in ihrer Bank suchen. (Das Co-Branding ist auch ganz profan regulatorisch bedingt, da die Bankdienstleistung von Goldman Sachs erbracht wird.)
GS bekommt damit das Beste aus zwei Welten: die Unternehmensmarke vermittelt die Stärke der ikonischen Investmentbank und damit die (gefühlte) Stabilität, die Kunden in ihrer Bank suchen. Andererseits funktioniert die Kundenansprache ohne Umschweife – bis hin zur URL, die eben marcus.com lautet und nicht etwa marcus.gs.com, wie man es von etwas verzagteren Ansätzen anderer Banken kennt.
Produktmarke Marcus von Goldman Sachs
Quelle: marcus.com
Das zweite Beispiel kommt aus Zürich: Unter frankly.ch lanciert die Zürcher Kantonalbank ein Vorsorgeprodukt zur 3. Säule mit eigener App und eigenständiger Marke. Auch hier kommt das Co-Branding nicht zu kurz, die eigene Marke erlaubt es der Zürcher Kantonalbank aber, die Zielgruppe sehr spezifisch anzusprechen und sich von der Masse inhaltlich ähnlicher und weitestgehend austauschbarer Angebote abzuheben.
Produktmarke frankly der Zürcher Kantonalbank
Quelle: marcus.com
Solche Produktmarken machen auch für die Vermittlung durch Neo-Banken viel mehr Sinn, die sich mit ihrer, im Vergleich zu anderen Fintechs, grossen Kundenbasis über Vermittlungsprovisionen eine zusätzliche Ertragsquelle erschliessen wollen: Für Anbieter wie neon oder demnächst Yapeal funktioniert es sicher besser, ein 3. Säule Produkt namens frankly zu vermitteln, als das 3. Säule-Konto des Konkurrenten UBS.
Partnerproduktvertrieb in der App von NEON
Quelle: neon Switzerland AG
Spinnt man diese Gedanken konsequent weiter, könnten sich die Banken im Geschäft mit ihren Konsumenten zu einer House of Brands für Finanzdienstleistungen entwickeln. Und nur noch als Dachmarke im Kleingedruckten auftauchen, ähnlich wie der Name Procter & Gamble bei vielen Haushalts- und Pflegeprodukte gerade einmal auf dem Etikett über dem Barcode auf der Rückseite zu finden ist.
Befeuert werden könnte eine solche Entwicklung vom technischen und regulatorischen Trend des Open Banking, für den gerade immer mehr Voraussetzungen geschaffen werden.